Die siebte Begegnung unserer Schulpartnerschaft vom 16. Bis 26. März 2016 war wieder ganz anders als alle bisherigen. Um den Schulbetrieb unserer Partner zu entlasten, verbrachten wir die ersten zwei Tage in Fès und hatten dadurch mehr Zeit, die eindrucksvolle Stadt zu besichtigen und Kontakte zu knüpfen. Hier in Fès wurde die erste Universität der Welt gegründet, und zwar von einer Frau! Fès hat neben den Kultur-Schätzen aus seiner langen Geschichte eine vielversprechende, lebendige Bildungslandschaft, im sozialen Bereich sehr aktive Vereine, eine vitale Musikszene – jedes Jahr wird hier ein Festival für sakrale Musik veranstaltet -, und die Stadt gilt als spirituelles Zentrum Marokkos. Wo ich auch war, überall wurde mir gesagt, wie gerne man sich mit entsprechenden Einrichtungen in Augsburg austauschen würde. Als mich die Vizebürgermeisterin der Stadt mit ihrem Stab im Rathaus empfing, ging es ebenfalls um dieses Interesse. Darum bin ich momentan dabei, Menschen, Organisationen, Firmen etc. zu finden, die offen dafür sind, ihre Erfahrungen mit solchen in Fès zu teilen. Drei Institutionen sind bereits dabei. Denn wenn es gelingt, aus der Friedensstadt Augsburg heraus menschliche, kulturelle und fachliche Kontakte aller Art mit einer islamischen Stadt zu knüpfen, würde ich dies gerade für unsere jetzige Zeit für sehr bedeutsam halten. Darum begrüße ich auch den Vorstoß der CSU für eine Städtepartnerschaft mit einer syrischen Stadt. Wer also Interesse hat, möge sich an mich wenden! Über unsere Kontakte finden wir für jeden das entsprechende Pendant in der Millionenstadt Fès (isa.geier@t-online.de).
Jetzt aber zu unserem Aufenthalt dort. Einen Vormittag lang waren wir in einem von 10 inklusiven Kindergärten zu Gast, die ein ehemaliger Hochschullehrer mit dem Verein FM6 nebst Ausbildungszentrum für Erzieher in den vergangenen Jahren gegründet hat. Mit einer der Gruppen machten wir Finger- und Reigenspiele und kneteten Schäfchen, Ziegen, Hirten und Bäume. Die Kinder führten uns Lieder und Tänze vor und schmetterten mit der Hand auf dem Herzen ihre Nationalhymne – so etwas kannten unsere nur vom Fußball. An kleinen runden Tischen im Freien aßen wir alle zusammen den freitäglichen Couscous. Die Siesta verbrachten einige Schüler ausgestreckt zwischen den Kindern, die meisten aber legten sich, kaum dem Augsburger Winter entronnen, draußen in die Sonne – zum großen Erstaunen der Gastgeber. Während einige die Kinder in den Park begleiteten, besuchten andere eine Art Frauenhaus etwas außerhalb von Fès. Die sehr engagierte, ehrenamtliche Leiterin zeigte uns, welche Ausbildungen die ledigen Frauen und Mütter dort machen können, wie ihnen Sozialarbeiter, Psychologen und Anwälte beistehen, und wie ihre Kinder betreut werden.
Freitagabend fuhren wir dann zu unserer Partnerschule. Bei unserer Ankunft am Bahnhof in Mechra Bel Ksiri war es schon dunkel. Kollegen erwarteten uns mit Milch und Datteln und brachten uns dann in ihren Privatautos nach Had Kourt, wo schon die marokkanischen Schüler warteten. Nach der Gruppeneinteilung und der Verteilung auf die Gastfamilien trafen unsere Schüler dann auf ganz unterschiedliche Situationen, z. T. auf große Armut mit allereinfachsten Wohnverhältnissen.
Am nächsten Morgen spielte und tanzte zu unserem Empfang vor der Stadthalle eine traditionelle Männerkappelle, drinnen wurden wir anschließend von Schulleitung, Stadtverwaltung und Vereinen herzlich begrüßt und mit süßem Tee und Gebäck bewirtet. Und dann tauchten wir für eine Woche in das Leben von Had Kourt ein und wurden als Töchter, Söhne, Brüder und Schwestern wärmstens aufgenommen. Unsere Schüler mussten sich erst daran gewöhnen, immer und überall fast wie Stars angeschaut, angesprochen und um Fotos mit ihnen gebeten zu werden, und sie vermuteten zu Recht, dass die marokkanischen Schüler bei ihrem Gegenbesuch in Augsburg nicht annähernd mit einer solchen Aufmerksamkeit rechnen könnten.
Am Sonntag machten wir gemeinsam einen Ausflug nach Larache ans Meer, am Montagabend debattierten wir mit den Schülern im Jungeninternat über Toleranz und Offenheit, am Dienstagabend mit Hunderten von Mädchen über Umweltprobleme, am Mittwochmittag machten wir gemeinsam eine große Säuberungsaktion im Umfeld der Partnerschule und am Donnerstag besuchten wir eine kleine Grundschule auf dem Land, pflanzten Rosmarin, strichen Wände, lernten und spielten mit den Kindern und wurden an den Schultischen im Freien bewirtet.
Die kulturelle Woche, die erstmals zeitgleich zu unserem Besuch stattfand, war anders als erwartet. Es gab trotzdem noch viel Unterricht und auch Klausuren, dafür aber am Nachmittag Events für alle, z. B. einen Koran-Rezitier-Wettbewerb oder Fußball-Wettkämpfe, Ausstellungen etwa zu den Menschenrechten oder als lebendes Wachsfigurenkabinett über die Bekleidungstraditionen Marokkos. Das war für unsere Projekte oft nicht optimal, dennoch wurden alle glücklich beendet: die Pflanzaktionen, Kompostoptimierung und Tröpfchenbewässerung, der Unterstand für die Schüler, die auf das Mittagessen warten müssen, das interkulturelle Theaterstück, Kaligraphie und Kunsthandwerk.
Für unsere Schüler sehr überraschend war die Abschlussveranstaltung der kulturellen Woche, in die wir mit unseren Projektergebnissen integriert wurden. Nicht nur die Schüler des Gymnasiums drängten in den Veranstaltungssaal, sondern viele, viele, junge Leute – man wusste gar nicht recht, woher sie plötzlich alle kamen. Aber es ist eben nicht oft etwas los in Had Kourt, da ist eine solche Veranstaltung ein Highlight im Jahreslauf. Ohne Gendarmen und kräftige Oberstufenschüler hätten wir uns gar nicht den Weg zu unseren Plätzen bahnen können. Links saßen und standen alle Frauen und Mädchen, rechts alle Männer und Jungen, 95% der Anwesenden war unter 20 Jahre alt. Bei uns in Deutschland hätte man unter den Augen der Polizei einen Saal nicht so voll stopfen dürfen, aber die Organisatoren wollten so wenige wie möglich ausschließen. Diejenigen, die nicht mehr reinpassten, hingen wie Trauben an den Fenstern und ballten sich vor dem Eingang. Die Ehrengäste aus der Schulbürokratie kamen wie üblich mit großer Verspätung, dennoch mussten ihnen Plätze freigehalten werden. Vier Stunden lang ohne Pause wurden Reden gehalten, weltliche und geistliche Lieder, Bands, Theaterstücke, Sketche usw. präsentiert und Preise für besonders gute Schulleistungen oder soziales Engagement verliehen, wobei sich die Stimmung im Saal mit der Zeit eher aufheizte, statt abzuflachen. Für unsere Schüler war es eine riesige Herausforderung, vor diesem Publikum aufzutreten und überhaupt so lange durchzuhalten.
Im Morgengrauen am Samstag hieß es dann Abschied nehmen. Die Tränen auf beiden Seiten zeigten, wie sehr sich die Jugendlichen in der kurzen Zeit einander angenähert hatten, und es war gar nicht leicht, die Scheidenden loszureißen und in die Autos zu verfrachten – der Zug würde schließlich nicht warten. Aber: wir kommen wieder, und Ihr kommt ja nächstes Jahr nach Augsburg!