Weil wir in Marokko erlebt haben, dass Kindergarten und Schule ganz einseitig auf intellektuelles Lernen ausgerichtet sind, und weil auch in Deutschland mit Früheinschulung und G8 die Freiräume für Kunst und Spiel kleiner werden, hatten wir die Idee, uns einmal intensiv mit der Frage zu beschäftigen, was man eigentlich beim Spielen und durch künstlerische Betätigung lernt. Wir wollten uns damit aber nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auseinandersetzen. Deswegen haben wir mehrstimmig gesungen, uns gegenseitig Spiele beigebracht, Holz-Spielgeräte für unseren Schulhof gebaut, gefilmt und Landart am Lech gemacht. Einen Artikel, den ich zu unserem Thema geschrieben hatte, übersetzte unser irakischer Freund Ahmed und veröffentlichte ihn auf einer arabischen Webside.
Zusätzlich zu unserer Projektarbeit besuchten wir das Konzentrationslager Dachau, das Augsburger Klärwerk und des Maskenmuseum in Diedorf. Unser Ex-Schüler Lukas Maurer war als Workshopleiter und Dokumentarist mit dabei.
Zu Beginn des Aufenthalts hieß Bildungsreferent Hermann Köhler die Gäste im Rathaus willkommen. „Augsburg hat seit dem deutsch-französischen Freundschaftsabkommen Schülerkontakte in alle europäische Welt, aber ein Schülerprojekt mit einem nordafrikanischen, muslimischen Land ist etwas sehr besonderes“, sagte Köhler. Er lobte unser Engagement seit 2008 und zählte alle Preise auf, die das Projekt inzwischen erhalten hat. Als einzige Stadt mit einem Friedensfest, fühle sich Augsburg heute verpflichtet beizutragen zum friedlichen Zusammenleben aller Religionen und Ethnien – dann wandte er sich an die Schüler und sagte: „Ihr tragt den gegenseitigen Respekt in die Welt. Gemeinsamkeiten zu entdecken und sich auszutauschen ist die Keimzelle zu Freundschaft und Frieden.“ Der marokkanische Philosophielehrer Chafik Graiguer bedankte sich für den warmherzigen Empfang und sagte, er fühle sich, hier im Rathaus stehend, nun als Teil der langen Geschichte Augsburgs. Er schilderte die Schwierigkeiten im Vorfeld der diesjährigen Reise, die durch seine Audienz beim marokkanischen Bildungsminister aus dem Weg geräumt werden konnten. Die Botschaft in Berlin habe sich sogar bei ihm erkundigt, ob die Gruppe gut in Augsburg angekommen sei. Zwei Tage des Programms wurden von einem P-Seminar des Anna-Gymnasiums ausgerichtet, deren Teilnehmer bei den Partnern der Waldorfschule einen Umwelttag zum Thema erneuerbare Energien durchgeführt haben.
Auf deutscher Seite hat erstmalig auch ein Schüler mit Down-Syndrom am Projekt teilgenommen, darauf haben besonders die jungen marokkanischen Frauen sehr positiv reagiert, sodass spontan noch eine Besichtigung der Rudolf-Steiner-Schule (Förderzentrum geistige Entwicklung) und den Schäfflerbach-Werkstätten (geschütze Werkstätten für geistig Behinderte) unternommen wurde.
Am meisten waren die marokkanischen Gäste von der Sauberkeit in der Stadt beeindruckt und davon, wie die Menschen hier nach der Uhrzeit leben. Das freundschaftliche Verhältnis von Eltern und Jugendlichen hat sie ebenso erstaunt, denn in Marokko schaut man zu den Eltern auf, es gibt eine größere Distanz zwischen Eltern und Kindern. Für die männlichen Lehrer war es eine Premiere, in der (Schul)Küche zu stehen und unter der Anleitung ihrer Kollegin und gemeinsam mit Schülern einen Couscous für die Schulgemein-schaft zu zu bereiten. Erstaunt hat, dass wir in Deutschland oft unsere Nachbarn nicht kennen. Auch die deutschen Teilnehmer waren
dankbar für die besonderen Erfahrungen. Florian: „Vor allem in den Workshops sind wir mit den Marokkanern ins Reden gekommen.
Ich hatte das gute Gefühl, etwas gemeinsam erreicht zu haben.“ Mareike: „Ich finde es sehr schön und erstaunlich, dass sie alle so anhänglich und zärtlich zu uns waren. So kam es nicht selten vor, dass die Marokkanerinnen uns mit Küsschen überhäuften oder uns ganz plötzlich um den Hals fielen und uns sagten, dass sie sehr glücklich seien.“ Ein marokkanischer Kollege fasste seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: „In Deutschland sieht man viele alte Leute. Manche Paare küssen sich in der Öffentlichkeit. Der Takt des alltäglichen Lebens ist hier sehr schnell.“ Eine seiner Schülerinnen fügte hinzu: „Alles läuft hier sehr schnell und ordentlich: essen, aufräumen, arbeiten. Die Kinder lernen Ordnung in ihrer Kindheit.“